Lukas Langhoff, Wenn man sich die Liste Ihrer Arbeiten anschaut, fällt die enorme Vielfalt auf, die Wechsel zwischen U und E, zwischen Populär- und Hochkultur. Wie wählen Sie Ihre Projekte eigentlich aus?
Langhoff: (lacht) Die Projekte suchen auch mich aus. Durch mein Interesse an vielen verschiedenen Dingen kommen die verschiedensten Leute auf mich zu. Sei es LaLeLu oder Steffen Möller, Herbert Fritsch oder das Theater Magdeburg, der Asylbewerber aus Mosambik oder Handballstar Stefan Kretzschmer.
Gibt es irgendetwas, was Sie sich nicht zutrauen?
Eigentlich nicht! Ich konzipiere auch Zahnarztkongresse oder Punkrockshows. Die Bühne hat bestimmte Gesetze und Regeln. Jeder, der mit Bühne und Licht arbeiten will, braucht also mich.
Punkrockshow klingt interessant. Was war das?
Captain Silver and the Silver Crew haben ihre neue Platte präsentiert. Der Sänger hat ein amputiertes Bein seit seiner Kindheit. Wir haben ihn auf der Bühne mit einer Kettensäge eine Beinattrappe absägen lassen. Mit Blutkissen!
Wie waren die Reaktionen?
Schock. Das spritzte in die erste Reihe, das möchten Sie nicht gesehen haben. Das ist sicherlich das stärkste Beispiel für Grenzenlosigkeit. Theater ist überall! Und deswegen muss ich auch überall sein (lacht).
Kann man sagen, dass Sie das Genre Theatersoap erfunden haben?
Nein, das hat Réné Pollesch ja schon viel früher in Frankfurt unter Stromberg gemacht. Deshalb habe ich ihn ja damals an den Prater nach Berlin geholt. Der Rest ist Geschichte.
Aber Ihre Theatersoap in Magdeburg hatte weitreichende Folgen?
Genau. Thomas Hermanns war zu Gast und ließ sich stark inspirieren für die erste Impro-Soap im Fernsehen, die legendäre Schillerstraße. Die Live-Regieanweisungen, die Hermanns im Fernsehen gab, hatte ich in Magdeburg reingesprochen.
Sind Sie jetzt sauer auf Hermanns?
Ich bin stolz! Ideen sind nicht geschützt in Deutschland. Und das geht auch nicht anders. Mach es selber oder guck zu. Aber sei auf keinen Fall beleidigt.
Mit ihren Doku-Stücken Klassentreffen und Ferienlager sind Sie sogar nach New York eingeladen worden. Wie war das?
Mit einem Theater nach New York zu fliegen ist natürlich was Besonderes weil gerade New York für uns Ostler ein Sehnsuchtsort war. Es war eine inhaltliche Entscheidung, uns einzuladen, weil wir uns mit etwas auseinandersetzen, womit auch die New Yorker sich auseinandersetzen, nämlich mit der Integration von Einwanderern. Das Auswärtige Amt hatte uns ja eingeladen.
Die Stücke sind ja nicht auf englisch?
Das wurde klassisch übertitelt.
Wie waren die Reaktionen der New Yorker?
Nicht anders als in Deutschland: Gelacht, geweint, euphorisch. Es gab eine interessante inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Publikum.
Wie sehen denn die New Yorker die Integration?
Die sind natürlich viel weiter und viel toleranter als wir. Sie sind näher an der Realität.
Welches Projekt über die Jahre war Ihr Liebstes?
Meine Tochter! Nein. Das ist schwer zu sagen. Natürlich Ferienlager, das hat mich am weitesten rumgebracht, aber natürlich auch der Volksfeind, der mich zum Theatertreffen gebracht hat. Aber auch die Projekte in Magdeburg, wo wir ein Haus besetzt oder mit Asylbewerern eine Modenschau vor einem Thor Steiner Laden gemacht haben.
Eine Modenschau – womit?
Mit den Naziklamotten von Thor Steiner!
Wie haben die Mitarbeiter vom Thor Steiner Laden reagiert?
Sie haben den Laden zugeschlossen. Am Ende hat mich die Polizei verhaftet, weil das Ganze nicht angemeldet war. Hätten wir ja auch nie angemeldet bekommen! (lacht)
In letzter Zeit haben Sie viel im Bereich Comedy und Kabarett gemacht. Was fasziniert Sie daran?
Natürlich die professionelle Arbeitsweise.
Wie meinen Sie das?
Da ist Energie und Ethik, das ist eine unbedingte Orientierung am Publikum, ein ehrliches Interesse am Zuschauer. Und an der disziplinierten Arbeit. Es ist klar, das Produkt muss gut werden. Denn sonst kommen die Leute nicht. Und ich werde auch nicht wieder engagiert. Wir haben ein gemeinsames Ziel. Das motiviert, das bringt den Erfolg, das bringt auch Qualität, das bedingt sich alles gegenseitig. Es ist einfach eine sehr große Offenheit da, eine Bereitschaft zu lernen, das macht die Arbeit mit Kabarettisten und Comedians für mich sehr befriedigend. In diese Richtung möchte ich noch mehr machen.